Abhören und Hacken unmöglich : Bundeskanzleramt setzt trotz Spott auf Rohrpost
modernste Kommunikationstechnik feiert seinen 150. Jahrestag
Abhörsicher und Hacker-unerreichbar –
Andreas Peter
Während Deutschland heftig die
Auswirkungen des digitalen Wandels diskutiert, hält das Bundeskanzleramt
im vollen Ernst an einer Kommunikationstechnologie aus der deutschen
Kaiserzeit fest, der Rohrpost. Digitalministerin Dorothee Bär
verteidigte das jetzt gegenüber der Bundestagsfraktion der Freien
Demokratischen Partei (FDP).
Seit das Bundeskanzleramt in Berlin
2001 eingeweiht wurde, gibt es lästerliche Berichte über die
beträchtlichen Dimensionen des Riesenbaus, gegen den das Weiße Haus in
Washington D.C. wie ein Pförtnerhäuschen wirkt. Auch Mutmaßungen, welche
aufwendige und teure Technik sich in den mehr als 280.000 Quadratmetern
umbauten Raumes wohl befinden könnte, werden immer wieder angestellt.
Die Besucher der alljährlichen Tage der Offenen Tür im Kanzleramt sind
regelmäßig rechtschaffend beeindruckt von den Raumfluchten, und
besonders die Männer diskutieren gerne, wie schnell wohl die
Internetverbindung im Kanzleramt ist.
Den allermeisten fällt eine
unscheinbare Klappe an einer Wand im über 140 Quadratmeter großen Büro
der Bundeskanzlerin gar nicht auf. Dahinter verbirgt sich Technik, die
bautechnisch etwas aufwendig und deshalb in ihrer Erstinstallierung
nicht eben billig ist, jedoch keineswegs High-Tech darstellt. Aber sie
gilt als zuverlässig. Und abhörsicher. Doch zu diesem Aspekt der
Geschichte kommen wir noch.
Rohrpost ist im Kanzleramt immer noch
erste Wahl für wichtige und eilige Dokumente
„Adventskalendergate“ – Seehofer zu
Verantwortung, Cybersicherheit und Informationen
Wichtige und eilige Dokumente nehmen im
Kanzleramt immer noch den Weg der Rohrpost. Dass ein Transportsystem,
das vor mehr 150 Jahren erfunden wurde, von Anfang an integraler
Bestandteil der Baupläne für die neue deutsche Regierungszentrale war,
darüber lassen sich in den Archiven keine Hinweise finden. Vielleicht
ist das Rohrpostsystem auch erst nachträglich eingebaut worden, im
Rahmen von diversen Sanierungs- und Renovierungsarbeiten, die seit 2001
stattfanden.
Jedenfalls ist die relative
Unbekanntheit des Rohrpostsystems im Kanzleramt der Grund, warum der
Lachnummer-Effekt so gut funktionierte, als nun durch eine simple
Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion bekannt wurde, dass es diese Anlage
im Kanzleramt gibt, dass sie angemessen genutzt wird und dass die
zuständige Staatsministerin auch nicht daran denkt, das zu ändern. Dabei
referiert Dorothee Bär (CSU) normalerweise gerne und ausgiebig über die
Segnungen des digitalen Zeitalters, denn immerhin trägt sie den
offiziellen Titel einer „Staatsministerin für Digitalisierung bei der
Bundeskanzlerin“.
Rohrpost billiger als Post-Boten
Nun aber beschied sie die Liberalen im
Bundestag mit der Information, dass die analoge Rohrpostanlage sinnvoll,
weil sowohl ausgelastet als auch kostensparend sei. Die Kleine Anfrage
der FDP-Fraktion und die Antwort der Bundesregierung ließen sich bei
Redaktionsschluss dieses Artikels nicht in der Dokumentendatenbank des
Bundestages recherchieren.
Aber die „Saarbrücker Zeitung“ und die
Nachrichtenagentur DPA wurden mit der Antwort von Dorothee Bär
beliefert. Sie rechnete demnach vor, dass monatlich bis zu 2.400
Sendungen über die Kanzleramtsrohrpost intern verschickt werden, dass
bis zur Einführung der elektronischen Akte im Kanzleramt nur eine
Übermittlung durch zusätzliche Boten als Ersatz in Frage käme, die aber
deutlich mehr als 130.000 Euro im Jahr kosten würde. Die Kosten für die
Unterhaltung und Wartung der Rohrpostanlage betragen dagegen nur einen
Bruchteil davon.
Der Parlamentarische Geschäftsführer
der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, lästerte pflichtgemäß:
„Dass mit Dorothee Bär gerade die Staatsministerin für Digitalisierung
sagt, dass die antiquierte Rohrpost quasi alternativlos sei, lässt tief
blicken.“
Rohrpost ist abhörsicher und sicher vor
Hackern
Marco Buschmann könnte allerdings,
genauso wie die meisten Medien, die seinen hämischen Kommentar
verbreiteten, nicht gründlich genug über die Antwort von Frau Bär
nachgedacht haben. Der Verweis auf die noch immer nicht erfolgte
Einführung der so genannten elektronischen Akte im mit Abstand
wichtigsten Haus der bundesdeutschen Regierung könnte auch bedeuten,
dass im Kanzleramt im Zweifel überhaupt gar nicht daran gedacht wird,
diese elektronische Akte einzuführen. Denn, wir wollen noch einmal daran
erinnern, die Technologie der Rohrpost mag mehr als 150 Jahre alt sein,
aber sie hat den heute unschätzbaren Vorteil, dass sie abhörsicher und
von Hackern nicht angreifbar ist. Diesen Aspekt haben die Kritiker und
Spötter offenbar komplett ausgeblendet.
Rohrpost hat erstaunlich lange
funktioniert – vor allem in Berlin
Deutschlands massiver Daten-Leak:
20-Jähriger aus Hessen festgenommen
Überhaupt hat sich die Rohrp trotz
schnell expandierender anderer Kommunikations- und
Nachrichtenübertragungstechnologien, erstaunlich lange gehalten, gerade
in Berlin. Wenn man auf die Anfänge dieses Systems in der deutschen
Hauptstadt zurückblickt, fällt auf, dass die wesentlichen Motive seiner
Einführung schon damals Schnelligkeit und Zuverlässigkeit waren. Die
erste Rohrpostverbindung wurde in Berlin 1865 in Betrieb genommen. Nicht
zufällig zwischen dem seinerzeitigen ersten Haupttelegrafenamt in der
Französischen Straße und dem Sitz der Berliner Börse am Hackeschen
Markt. Für die dortigen Händler waren schnelle und zuverlässige
Nachrichtenübermittlung bares Geld wert.
Mit bis zu 15 Metern pro Sekunde
schossen die verschließbaren Kartuschen, die der Berliner Volksmund
umgehend zur „Rohrpostbombe“ taufte, dank Druckluft in einem
Leitungsnetz, dass in seiner größten Ausdehnung einmal 250 Kilometer in
ganz Berlin umfassen sollte, das weltweit größte. Rohrpost konnte einst
in Berlin vom Olympiastadion bis nach Rummelsburg, von Zehlendorf bis
Pankow oder vom Grunewald bis Neukölln transportiert werden. Selbst als
drahtgebundene Kommunikation wie Telegramm, Telefon und Telex ihren
Siegeszug angetreten hatten, konnte sich die Rohrpost behaupten. Zu
allen Zeiten ihrer Existenz schätzten Absender wie Empfänger am
Rohrpostsystem dessen schnelle und sichere „Daten“-Übertragung ohne
große Umwege. Es ist gewiss kein Zufall, dass dies vor allem wichtige
Regierungsstellen in der deutschen Hauptstadt betraf, die zum Teil
hochsensible Post zu befördern hatte.
Das änderte sich auch nicht nach dem
Zweiten Weltkrieg und der Teilung der Millionenmetropole. In West-Berlin
endete die Ära der Rohrpostzustellung für die Allgemeinheit 1963, in
einigen Betrieben und Behörden aber erst 1972. In Ost-Berlin wurde der
öffentliche Rohrpostbetrieb 1976 eingestellt. Aber noch in den 80ern
nutzte die Redaktion des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ in der
Nähe des Ostbahnhofs eine Rohrpostverbindung mit dem Postamt am
Alexanderplatz. Und noch heute wird in Berlin Rohrpost genutzt, nicht
nur im Kanzleramt. Europas größtes Klinikum, die Charité, verschickt
tägliche Tausende Kartuschen mit Röntgenbildern, Gewebe- oder Blutproben
usw. Und wer beim Einkaufen an der Kasse etwas aufmerksamer ist, dem
wird auffallen, dass in manchen Supermärkten oder anderen großen
Konsumtempeln Rohrpost für den Transport von Bargeld genutzt wird.
Rohrpost erlebt eine bemerkenswerte
Renaissance
Überhaupt kann vom Tod der Rohrpost
keine Rede sein. Als in West-Berlin das Ende der Rohrpost eingeläutet
wurde, dachte man in Hamburg über eine Erweiterung des dortigen Netzes
nach. Und in unseren Tagen ist Instandsetzung, Erweiterung oder
kompletter Neubau von Rohrpostnetzen eine Selbstverständlichkeit. Vor
allem Krankenhäuser nutzen bis heute dieses Transportsystem. Zum Teil in
bemerkenswerten Dimensionen. Die Medizinische Hochschule Hannover
beispielsweise würde Deutschlands Digitalministerin Dorothee Bär
wahrscheinlich ohne zu zögern für ihr Lob der Kanzleramt-Rohrpost
verteidigen, denn in Hannover hat man so hervorragende Erfahrungen mit
diesem Transportsystem gemacht, dass dort die über 60 Kilometer lange
Anlage mit mehr als 600 Stationen von Grund auf den neuesten Stand
gebracht wird. Auch Industrieunternehmen weltweit setzen in ihren
hochmodernen Produktionsstätten unbeirrt auf die Technik, die laut FDP
antiquiert sei.
Rohrpost ist wahrscheinlich der beste
Abhörschutz für das Kanzleramt
Welches mögliche Motiv hinter der Treue
des Kanzleramtes zur Rohrpost steht, haben wir bereits angedeutet.
Vielleicht erinnert sich ja die eine oder der andere an das Entsetzen
und die Fassungslosigkeit, als 2013 herauskam, mit welcher
unvergleichlichen Dreistigkeit die angeblichen Freunde USA und
Großbritannien mit ihren Geheimdiensten NSA und GCHQ deutsche
Regierungsstellen elektronisch ausspionierten. Und wer sich dann auch
noch daran erinnert, dass mit der Schnüffelei selbst vor dem
Mobiltelefon der Bundeskanzlerin kein Halt gemacht wurde, der braucht
nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Benutzung der
Rohrpost im Bundeskanzleramt ganz gewiss kein Zufall ist.
Rohrpost ist nicht die einzige
„antiquierte“ Technik, die eine Renaissance erlebt
„Gibt es etwas zu verbergen?“: BSI
wusste schon länger vom Datenleck
Noch eine andere angeblich
„antiquierte“ Technik erlebte wegen der Spionage der USA und
Großbritanniens einen ungeahnten Neustart. Als der Whistleblower Edward
Snowden der Welt einen Schock versetzte, wie umfangreich und unverfroren
die USA und Großbritannien mit ihren Nachrichtendiensten die
Telekommunikation der halben Weltbevölkerung ausspionieren und
überwachen, soziale Medien im Internet manipulieren, damit Wahlen
beeinflussen und im Privatleben von Millionen unschuldiger Menschen
schnüffeln, hatte das ungeahnte Konsequenzen.
Die deutschen
Schreibmaschinenhersteller Triumph-Adler und Olympia meldeten 2014, dass
die Umsätze ihrer Geräte, die von vielen schon als museumsreif erklärt
wurden, geradezu explodierten. Triumph-Adler verkaufte 2014 ein Drittel
mehr analoge Schreibmaschinen als 2013, und Olympia verdoppelte sogar
seinen Umsatz und verkündete das beste Geschäftsjahr seit 20 Jahren. Der
NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages überlegte
ernsthaft, die Ausschussunterlagen nur noch auf analogen
Schreibmaschinen anfertigen zu lassen. Und Geheimdienste weltweit, auch
russische, holten ihre bereits eingemotteten Schreibmaschinen wieder aus
den Depots oder orderten neue.
Dazu trug sicher auch die seinerzeitige
Werbung von Triumph-Adler bei, die ihre Schreibmaschinen ausdrücklich
als „abhörsicher“ beworben hatte. Vielleicht sollten Marco Buschmann und
seine Kolleginnen und Kollegen in der FDP-Bundestagsfraktion einfach
noch einmal ein bisschen in den Archiven nachlesen, wie man auf die Nase
fallen kann, wenn man zu technikgläubig und zu hochmütig gegenüber
anderen, insbesondere Frauen, ist. Das geht in diesem Fall sogar ohne
Rohrpost.
https://de.sputniknews.com/politik/20190501324837837-hacker-sicherheit-bundeskanzleramt-rohrpost/
Bereits seit den siebziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts erlebten die mechanischen Schreibmaschinen
ihren Urstand für geheimzuhaltende Informationen. In Deutschland
erst im Jahre 2014
"Arme" BSI,
selbst das Bundeskanzleramt vertraut nicht auf Ihre "Fähigkeiten". Die deutsche IT-Sicherheit auf dem Stande von vor 150 Jahren
?